Sozialer Protestantismus – seine Tradition und Gegenwartsbedeutung„Sozialer Protestantismus“ bezeichnet die gesellschaftsprägenden Kräfte, die seit der Mitte des 19. Jahrhunderts Lösungen der „sozialen Frage“ aus dem Geist des Protestantismus entwickelt haben. In der Wahrnehmung weltlicher Verantwortung haben Protestanten grundlegende Impulse für eine menschenwürdige Gestaltung moderner Arbeitsbeziehungen und der Sozialordnung gegeben. Sie haben wesentlich an der Entwicklung des deutschen Sozialstaates mitgewirkt. Ethische Grundlagen für die Soziale MarktwirtschaftDer Soziale Protestantismus hat sich in dieser Traditionslinie bereits vor Gründung der Bundesrepublik maßgeblich daran beteiligt, das Ordnungsmodell der Sozialen Marktwirtschaft herauszubilden und weiterzuentwickeln. Auf der Grundlage des biblischen Menschenbildes wurden gleichberechtigt die ordnungspolitischen Fundamente für die Werte der Freiheit, der Solidarität und der Gerechtigkeit gelegt. Die angestrebte Gesellschaftsordnung respektiert die Würde jedes einzelnen Menschen, sorgt durch eine gestaltete Wettbewerbsordnung für effizientes Wirtschaften und ermöglicht durch eine verlässliche Sozialordnung sozialen Frieden. Sozialethische BildungsarbeitNeben der programmatischen Arbeit steht die sozialethische und sozialpolitische Bildungsarbeit. Kirchliche Amts- und Funktionsträger und protestantische Laien in weltlicher Verantwortung und unterschiedlichen Arbeitsfeldern benötigen ein solides theologisch-sozialethisches, sozialpolitisches und ökonomisches Wissen. In vielfältigen Organisationsformen, Institutionen, ehrenamtlicher und hauptamtlicher Tätigkeit und Beauftragung, Schwerpunktsetzung, durch Forschung und Projektarbeit, – mit und ohne amtskirchliche und öffentliche Unterstützung und Förderung – wurde und wird dieser Bildungsauftrag wahrgenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte die sozialethische und sozialpolitische Bildungsarbeit einen neuen Aufbruch. In den Landeskirchen und der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wurden hauptamtliche Organisationsstrukturen wieder auf- und ausgebaut und ebenso die unterschiedlichen Formen ehrenamtlicher Tätigkeit innerhalb und außerhalb der Amtskirche. Eine besondere Rolle hatte dabei die Evangelische Sozialakademie Friedewald als zentrale Sozialbildungsstätte im Raum der EKD. Sie war Fortbildungseinrichtung für das staatlich anerkannte Berufsbild "Geprüfte(r) Sozialsekretärin / Sozialsekretär" sowie für haupt- und ehrenamtliche Beschäftigte in Kirche und Diakonie und staatlich anerkannte Weiterbildungseinrichtung für Menschen und Gruppen unterschiedlicher kirchlicher, religiöser, weltanschaulicher und politischer Herkunft und Prägung. Gegenwärtige und zukünftige AufgabenDie grundlegenden Traditionsstränge des Sozialen Protestantismus müssen unter Aufnahme gesellschaftlicher, ökonomischer und sozialer Veränderungsprozesse reflektiert und unter den heute veränderten Bedingungen lebendig gehalten werden. Es geht darum, die Orientierungsmaßstäbe evangelischer Sozialethik deutlich zu machen, um menschengerechte wie sachgemäße Lösungen für eine sozial verträgliche und nachhaltige Entwicklung aufzuzeigen. |